Im Garten von Oma Apo

*vorgestellt von Veronika Albrecht*

 

Die Geschichte von Oma Apo hat so viel Kraft wie die rüstige Protagonistin selbst. Mit Sog und Elan folgt die Erzählung dem Tatendrang der alten Dame, die im obersten Stock eines hohen Hauses mitten in einer chinesischen Stadt wohnt und eine große Leidenschaft hat: ihren wunderbaren Garten am Dach.

Dort hält sie Hühner und Enten und Zwiesprache mit ihrem Gemüse:

 

  

 

Für die „gemüsigen“ Bedürfnisse hat Oma Apo feine Antennen. Sie hört den Hilferuf vom Chinakohl, den die fetten Raupen anknabbern, den Lärm der Pfefferschoten und das Raunzen hungriger Tomaten und durstiger Senfkohlpflanzen. Sich im Wind wiegende Gurkenblüten nimmt sie ebenso wahr wie den Tanz der Lattichblätter. Und all das bringt sie vor Freude zum Kichern:

 

Hui, hier ist aber was los!

 

   

 

Wenn Oma Apo auf dem Markt weggeworfenes Gemüse als Leckerbissen für ihr Geflügel einsammelt und dann leichtfüßig den beschwerlichen Weg aufs Dach erklimmt …

… weiß sie genau um der Mühen Lohn. Die reiche Ernte will nämlich verteilt werden. An die Nachbarn, an den Pförtner im Haus und natürlich an ihre Verwandten. Und alles gipfelt im großen köstlichen Familienschmaus, den sie liebevoll zubereitet. Die Suppe ist dann „jadegrün“ und „Tigerhautpaprika“ können doch nur herrlich schmecken, oder?

   

 

Ich weiß nicht, wann mir das letzte Mal eine kulinarische Buntstiftzeichnung das Wasser im Mund zusammenlaufen hat lassen, den Bildern von TANG Wei gelingt das jedenfalls. In diesem Buch verwendete sie die Technik durchgehend für ihre Illustrationen – eine fundierte Entscheidung, wie sie im Nachwort beschreibt: „Ich versuchte es mit Collagen, experimentierte mit Stoffbildern, mit Wasserfarbe, dann mit Acrylfarbe. Zuletzt entschied ich mich für Farbstifte.“
Offenbar gelang das Zeichnen dieser sehr persönlichen Geschichte so am unmittelbarsten – Oma Apo gibt es nämlich wirklich, sie ist die Großmutter der Künstlerin.

Diese Nähe und Authentizität spüre ich in dem Buch genau. Und schön ist auch, dass die Protagonistin im Nachwort selbst noch eine Stimme bekommt. Wenn die Leute sie ermahnen, sie sei doch schon so alt und solle das Leben genießen, dann gibt sie zur Antwort:

Ich lebe von meiner Arbeit. Was immer ich essen will, das pflanze ich an. Ich setze keine Gifte ein und esse gesund. Jeden Tag rauf und runter zu klettern hält mich fit. Auch meine Familie kann etwas Gutes essen. Wieso soll ich mich zurücklehnen?

 

   

 

Was wir noch erfahren: Oma Apos Beispiel hat Schule gemacht und weitere Familien motiviert, auf den Dächern der Stadt Gemüse anzubauen.

 

 

 

 

Brigitte Koller Abdi hat den chinesischen Text ins Deutsche übertragen.

 

 

 

Im Garten von Oma Apo Book Cover Im Garten von Oma Apo
TANG Wei
Bilderbuch
Baobab Books
2020
23 x 23 cm
32
TANG Wei

Schon lange bevor Urban Gardening zum Begriff und Paradeiser am Balkon zum Trend wurden, steigerte Oma Apo ihre Lebensqualität am Hochhausdach.