Ben und die Wale
*Vorgestellt von Claudia Kronabethleitner*
Ben und sein Großvater lieben es, gemeinsam von einer Klippe aus Wale zu beobachten. Sie sind fasziniert von diesen besonderen Tieren, die der Großvater “fliegende Giganten“ nennt.
Die beiden lesen Geschichten über Wale, informieren sich in Fachbüchern und suchen Museen auf. Ihre Begeisterung geht so weit, dass sie sogar eine Art Album über Wale gestalten. Darin bewahren Ben und der Großvater all ihr gesammeltes Wissen über Wale auf. Vier Seiten aus dem Album sind im Vor- und Nachsatz des Buches zu sehen: eingeklebte Ausschnitte aus Zeitschriften und Büchern (u.a. aus Moby Dick), Bilder, Briefmarken mit Walmotiven, Skizzen – besonders schön finde ich, dass auch Kinderzeichnungen darunter sind, die offensichtlich von Ben stammen.
Die Wale sind aber nicht das Hauptthema dieses wunderschön gestalteten Bilderbuchs der südafrikanischen Autorin Ingrid Mennen, sondern der Tod. Der Großvater wird krank, die gemeinsamen Spaziergänge müssen ausfallen.
Der Ohrensessel im Wohnzimmer bleibt leer, der Basset des Großvaters liegt traurig davor, der Bücherstapel daneben ist unberührt, die kleinen Walfiguren am Boden sehen wie verendet aus und auch das Spielzeug-Rettungsauto weist auf das Unvermeidliche hin – der Großvater ist gestorben.
Auch dieser Raum zeugt von der Leidenschaft des Bewohners: Das Gemälde im Hintergrund zeigt eine Szene aus Moby Dick, durch das Fenster ist das Meer zu sehen – grau, düster, leer.
Ben geht nun mit seinem Vater „Opas Weg“ und die beiden setzen sich unter „Opas Baum“, einen Milchbrotbaum.
Bilde ich es mir ein oder blickt da nicht der Großvater aus dem Geäst herunter? Nur der Basset scheint dies zu bemerken.
Bens Vater erzählt seinem Sohn eine Trostgeschichte über ein Walkälbchen, das eines Tages Abschied vom alten Buckelwal nehmen muss, um sich mit den anderen Walen auf die Reise ins antarktische Meer zu machen.
So muss auch Ben den Schmerz über den Verlust seines Opas loslassen und seinen Weg gehen. Die Erinnerung bleibt und stärkt. Am Rückweg geht Ben voraus – er kennt den Weg und es hat den Anschein, als könne er fliegen!
Irene Berg, die Tochter der Autorin, fängt mit ihren detailreichen Illustrationen eindrucksvoll die verschiedenen Stimmungen dieses Buches ein. Mit den durchwegs gedeckten Farben erzeugt sie eine ruhige Grundstimmung. Die vielen Farbnuancen, die Irene Berg für das Meer verwendet, spiegeln die Veränderungen wider. Und auch die Wale sind ganz lebensnah und in ihrer Vielfalt dargestellt: fern und nah, groß und klein, aus dem Wasser springend, tauchend und dem Horizont entgegenschwimmend sind sie im ganzen Buch präsent.
Sehr schön finde ich, dass die Personen mit ihrer Kleidung kräftigere Farben in die Geschichte bringen. Auch das hoffngngsvolle Ende wird mit wärmeren Farben unterstrichen.
Zusätzlich lernt man mit diesem Buch interessante Details aus Südafrika kennen: eine fremde Pflanzenwelt wie den Milchbrotbaum und dass es in Hermanus in der Provinz Westkap einen Whale-Crier gibt, der in sein Horn bläst, sobald Wale zu sehen sind.
Bilderbuch
Kunstanst!fter
2016
21 x 27 cm
Irene Berg