Jens Thiele. Das Bilderbuch

*Fachliteraturtipp von Esther Spiegel*

Thiele, Jens. „Das Bilderbuch. Ästhetik – Theorie – Analyse – Didaktik – Rezeption“
und weitere Werke  (siehe Bibliographie)

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Weil ich für die Recherche meiner Bachelorarbeit viele Texte von Jens Thiele gelesen habe und finde, dass seine theoretischen Ansätze eine gute Grundlage für die Analyse von Bilderbüchern und das im Lehrgang geübte ‚genaue Hinschauen‘ sind, möchte ich Fragmente seiner wissenschaftlichen Arbeit hier stark verkürzt vorstellen.

Jens Thiele sieht das Bilderbuch als „ästhetisches Gesamtwerk“. Es ist eine „komplexe Bild-Text-Verknüpfung“ und erfordert als Forschungsgegenstand „Zusammenarbeit von Bild- und Textwissenschaften“ (Thiele, 2003, S.17).

Durch die Sonderstellung im Zwischenbereich von literarischen und bildnerischen Sparten wäre seines Erachtens die Erforschung der Kinderbuchillustration lange zu wenig beachtet und ernst genommen worden. Als Grund dafür sieht er unter anderem die Belastung des Genres durch einengende pädagogische Vorstellungen, welche zur Trivialisierung der Bildwelten in Büchern führte. (vgl. Thiele, 2007, S.4-9). Außerdem betrachtet er die „Stigmatisierung der Kinder- und Jugendliteratur als Gebrauchskunst“ als Beschwernis. (Thiele, 2003, S.17)

Thiele plädiert einerseits für mehr Bewusstsein für die Forschungsrelevanz dieses Mediums, andererseits für mehr Interdisziplinarität in den sonst so traditionell distinkten Wissenschaftsdisziplinen. (vgl. Thiele, 2007, S. 4–9)

Außerdem weist er darauf hin, dass das Bilderbuch in seiner künstlerischen Lage immer zwischen den „Bezugspunkten Kunst/Kultur, Kind [und] Kommerz“ angesiedelt ist. „Kulturelle und künstlerische Strömungen, Kultur- und Kunsttheorien, Verhältnis zwischen freier und angewandter Kunst, kulturell bedingte Sehbedürfnisse, Rolle und Selbstverständnis des Künstlers und des Illustrators, Haltung des Künstlers und Illustrators zum Kind, künstlerische Techniken“ (Thiele, 2003, S. 17) fasst Thiele als Faktoren unter den Punkt „Kunst/Kultur“ zusammen. Hinzu kommen einerseits psychologische, pädagogische und gesellschaftliche Aspekte, die mit Kindheit zusammenhängen. Aber auch die kommerziellen Bedingungen des Buchmarktes beeinflussen das Medium Bilderbuch. (vgl. Thiele, 2003, S. 17).

Kurzer Überblick zum inhaltlichen Aufbau von „Das Bilderbuch“

Zuerst stellt Thiele ganz allgemein die Problemfelder des Bilderbuchs dar. In Kapitel zwei wird auf die künstlerische Lage des Bilderbuchs eingegangen, insbesondere der Einfluss von Kunstsrömungen auf die Bilder in Kinderbüchern wird analysiert. Das dritte Kapitel widmet Thiele den Erzählformen im Bilderbuch und bietet theoretische Fragmente zu Bild-Text Beziehung und der Dramaturgie zwischen Bild und Text. Als vierten Überpunkt setzt Thiele die konkrete Analyse von Bilderbüchern. Hier werden anhand von Beispielanalysen fünf unterschiedliche Ansätze vorgestellt. In Kapitel fünf wird ein pädagogischer Blick auf das Bilderbuch geworfen, in Kapitel sechs geht es um Rezeption und im siebten Kapitel um Perspektiven.

„Bild – Text Interdependenz“

Interdependenz wird im Duden als „wechselseitige Abhängigkeit“ definiert. (www.duden.de) Jens Thiele prägte den Begriff „Bild- Text Interdependenz“ und setzte sich mit dieser Wechselwirkung auseinander. Aus persönlichem Interesse an dieser Thematik greife ich den Begriff hier heraus und gehe kurz darauf ein:

„Unser Sehen ist sprunghafter, fragmentarischer, filmischer geworden“, schreibt Thiele. (Thiele 2003, S.65) Er sieht einen Zusammenhang zum sogenannten Visual Turn: den Einfluss des Films und der starken Präsenz des Bildes in den Medien. Er sagt, dass Bild und Text im Alltag häufig nicht getrennt wahrgenommen werden: „Bild-Wort-Text-Erfahrungen sind heute wie Kaleidoskope, prismatisch gebrochen, zergliedert, virtuell (…)“ (Thiele, 2003, S. 65) Diese Veränderungen eröffnen seines Erachtens viel Potenzial um neue Formen des Erzählens zu entdeicken. Er beobachtet, dass sich das Nebeneinander von Bild und Text in ein Ineinander wandelte. (Thiele, 2003, S.65)

Als Analysevorschlag für längere Bild- und Textsequenzen differenziert er folgende Arten von Text-Bildbeziehung:

  • „parallele Text-Bild Verlauf“
  • „kontrapunktische Erzählform“
  • Erzählform des „geflochtenen Zopfs“

(vgl. Thiele, 2003b, S. 78-79)

Bibliographie

Thiele, J. (1990). Wurzelkinder und Honigpumpe. Zum Verhältnis von Kunstmoderne und Bilderbuch. In H.-H. Ewers, M. Lypp, & U. Nassen (Hrsg.), Kinderliteratur und Moderne. Ästhetische Herausforderungen der Kinderliteratur im 20. Jahrhundert (S. 141–175). Weinheim: Juventa.

Thiele, J. (2000). Das Bilderbuch. In Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur (Bd. 1, S. 201–228). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Gmbh.

Thiele, J. (2003a). Das Bilderbuch: Ästhetik – Theorie – Analyse – Didaktik – Rezeption. Oldenburg: Isensee.

Thiele, J. (2003b). Handbuch Kinderliteratur: (J. Steitz-Kallenbach, Hrsg.). Freiburg: Herder.

Thiele, J. (2007). Bilderbuchforschung. Eine unsystematische Bestandsaufnahme und vorläufige Perspektiven. kopead, 07.1, 5–9.

Publikationen von Jens Thiele

http://www.jensthiele.de/forschung/forschung.php