Das wahre Leben der Bauernhoftiere

„Endlich ein wahrhaftiges Kinderbuch über den Bauernhof“

*vorgestellt von Christina Prechtl*

Es gibt massenweise Kinderbücher über eine romantisierte Bauernhofwelt. Rinder, Schweine, Hühner gehören dem und zum Bauern – das ist normal – anders kennen wir das scheinbar nicht. In fast keinem Kinderzimmer fehlt Bauernhofspielzeug – durch das schon von klein auf suggeriert wird: Diese „Nutz“tiere sind für uns da, ihnen geht es gut und später werden sie zu unserem Essen.

Das Sachbuch „Das wahre Leben der Bauernhoftiere“ stellt da einiges richtig. Im Text sachlich und unaufgeregt, deshalb aber nicht weniger schockierend. Es informiert und macht durch genau diese Information betroffen, weil es für die Tiere schlimm ist und das hier sichtbar wird. Die Autorin beschreibt zuerst die konventionelle Tierhaltung, im zweiten Teil die ökologische. Sie wendet sich dabei nacheinander den einzelnen „Nutz“Tierarten zu.

Alleine die Tatsache, dass wir diese Lebewesen „Nutz“tiere nennen spricht für sich. Man denkt, während man es liest: „Ja, so ist es, ungeschönt und doch: Allein in der Sprache werten wir diese Leben ab. Was machen wir da?“

Zum Schwein erzählt uns die Autorin, wie sie in geschlossenen Räumen leben, alles automatisiert abläuft und diese intelligenten Tiere unter der Monotonie und Enge leiden. Sie schreibt über „Zucht“sauen, welche in Kastenständen und Abferkelbuchten eingezwängt werden, damit sie problemlos geschwängert werden können und später ihre eigenen Babies nicht zerquetschen. Sie schreibt von „Mast“schweinen, die rein nach ihrem Gewicht beurteilt werden, ab 100 Kilo werden sie geschlachtet. Das ist nach sechs bis acht Monaten, wo ein Schwein eigentlich 15 Jahre alt wird.

Auch das Leid der Mutterkühe verschweigt sie nicht. Um Milch zu produzieren, muss eine Kuh jedes Jahr geschwängert werden. Sie ist ebenso lange schwanger wie wir Menschen. Nach der Geburt wird ihr das Kalb sofort genommen, damit wir Menschen diese Kuhmuttermilch bekommen, während das Kleine eine Ersatzmilch in einer abgetrennten Box trinkt.

Die Situation von Ziegen, Schafen und Hühnern wird ebenso erklärt . Sehr gut auch, dass sie über den Weg der Tiere von Betrieb zu Betrieb und schlussendlich zum Schlachthof schreibt: Tiertransporte und Massentiertransporte. Es gibt eine Doppelseite über den Schlachthof, bei dem Schweine ihren letzten Weg gehen.

Auf der nächsten Seite sehen wir dann das Endprodukt: Fleischprodukte. So, als wäre nichts gewesen.

Bei der ökologischen Haltung sehen wir zwar sofort einen Unterschied (den Tieren geht es eindeutig besser und sie haben mehr Platz), alles endet aber ebenso auf dem Teller.

Zeise erwähnt die unglaublichen Zahlen der geschlachteten Tiere, die keiner hören will. Auch, dass für diese vielen Tiere Futter angebaut werden muss und dies großteils nicht in unseren Gebieten passiert, sondern im südamerikanischen Regenwald.

Sie schafft es auf eindrückliche Weise, dies alles nicht anklagend darzustellen. Das Buch endet mit dem Vorschlag, sich einmal unser Essen auf dem Tisch genauer anzuschauen. Zu überlegen, woher Lebensmittel eigentlich kommen, wie sie „produziert“ werden und was (wer) dahinter stehen. Sie regt zur Diskussion an, Erwachsene zu fragen wie jede/r Einzelne darüber mitentscheidet, was wir essen und ermutigt damit alle, selbst aktiv zu werden.

Die fotorealistischen Illustrationen unterstreichen das Geschriebene auf die selbe phantastische Art: Sie stellen dar, was ist und es berührt uns Leser/die Leserin ungemein. Teilweise durch emotionale Szenen wie Mutter und Kalb oder die realistisch schlauen Augen der Schweine, teilweise durch die nicht ertragbare Realität wie die Enge der Masthühner oder Kühe, die nur aufstehen und sich wieder hinlegen können. Vielleicht kommt es auf das Innenleben der/des Leser/s und die jeweilige Einstellung an. Ich lebe vegan, aber würde ich das nicht tun, würde ich mich spätestens bei der Doppelseite im Schlachthof dazu entscheiden.

Zeise regt nicht nur zu einem bewussteren Konsum an, sie stellt auch als „normal“ empfundene Sichtweisen in Frage und ob hinter manchen Gütesiegeln, Werbungen mit lachenden Schweinchen und Bauernhofwänden wirklich alles so in Ordnung ist wie suggeriert. Ebenso überdenkt man nach dem Buch den abwertenden Sprachgebrauch von Nutztieren, Zuchtsauen, Masthühnern usw.

Ich möchte Lena Zeise persönlich für dieses Buch danken und wünsche mir, dass es sich statt dem konventionellen Bauernhofspielzeug in jedem Kinderzimmer wiederfindet. Auch wünsche ich mir ehrliche Eltern, die Kindern auf berechtigte Fragen die wahren Antworten geben, so wie dieses Buch das tut.

Das wahre Leben der Bauernhoftiere Book Cover Das wahre Leben der Bauernhoftiere
Lena Zeise
Sachbuch, ab 7 Jahre
Klett Kinderbuch
August 2020, 1. Auflage
22 × 28 cm
40
https://www.klett-kinderbuch.de/buecher/details/das-wahre-leben-der-bauernhoftiere.html
Lena Zeise