Der Regenwurm sieht furchtbar schlecht

*vorgestellt von Christina Prechtl*

Schade eigentlich, dass es im Tierreich keine/n OptikerIn gibt. Das würde das ganze Ökosystem gehörig durcheinander bringen. Viele Tiere sehen nämlich nicht gut und müssen sich so auf andere Sinne verlassen. Andere hingegen übertreffen den menschlichen Sehsinn bei weitem – schauen wir da mal genauer hin.

Das Sachbuch „Was sieht eigentlich der Regenwurm“ beschäftigt sich mit der physiologischen Sicht der Tiere, ausgehend von einer einzigen Illustration, die auf der letzten Doppelseite zu finden ist. Alle sehen dasselbe – aber alle anders. Auf der ersten ausklappbaren Doppelseite wird das erklärt – wir sehen anders, weil wir unterschiedliche Gesichtsfelder haben, die Farben, hell und dunkel und Bewegungen verschieden wahrnehmen und auch die Sehschärfe variiert. Das ist schon unter Menschen so – aber mancher Sehsinn von Tieren ist abenteuerlich.

Im Buch finden wir Illustrationen unterschiedlicher Tiere. Alle haben eine aufklappbare Brille auf, unter der sich die Sicht der Tiere verbirgt. Auf der Innenseite der Augenklappe findet sich ein Infotext, der die zuvor erwähnten Sehkriterien Gesichtsfeld, Farben, Bewegungen und Sehschärfe erklärt. Es werden Sichtweisen von Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien sowie Insekten dargestellt.

Unterschiedliche Gesichtsfelder? Nehmen wir als Beispiel ein Tier welches die Augen seitlich hat – das Eichhörnchen. Es ist ein Beutetier, daher ist es ganz praktisch seitliche Augen zu haben und somit fast rundum Bewegungen potentieller Feinde zu erkennen. Auch für das Springen von Ast zu Ast ist eine gute Raumwahrnehmung von Vorteil. Ansonsten sieht das Eichhörnchen verschwommen, sein Geruchssinn ist stärker ausgeprägt.

Der Adler hingegen braucht keine/n OptikerIn, als Räuber sieht er extrem scharf. Er kann zusätzlich noch ultraviolette Strahlung erkennen, damit spürt er sogar Urinspuren seiner Beute auf. Er hat seine Augen nach vorne gerichtet und diese funktionieren wie ein Fernglas. Sein Gesichtsfeld beträgt 240 Grad, das des Menschen nur 180 Grad.

Und der arme Regenwurm? Ja, der sieht tatsächlich nichts. Er hat ja nichtmal Augen, er hat seitliche Fotorezeptoren mit denen er das Licht spüren kann. Das ist für ihn wichtig, damit er immer im Schatten bleibt und nicht austrocknet. Aber dafür hat der Regenwurm zehn Herzen. Das ist doch auch was.

Weitere spektakuläre Sichtweisen, die in diesem Buch zu entdecken sind: Frosch, Schnecke, Stubenfliege, Pferd, Taube, Katze, Hund und viele mehr!

Mir gefällt an diesem Buch zuerst mal die Idee. Wer hat sich denn noch nie gefragt, wie so ein Chamäleon sieht wenn es ein Auge nach vorne und eines nach hinten dreht? Und ob sich die Katze nachts wirklich so viel besser zurechtfindet als ein Mensch, der im Dunkeln über seine Hauspatschen fliegt? Das Buch gibt die Antworten und erklärt zudem noch den Sehsinn im Allgemeinen, was es überhaupt braucht um sehen zu können. Die Sache mit den Klappen trägt natürlich zur interaktiven Befriedigung der Neugier bei.

Ansonsten verzichtet das Buch auf große Ablenkung. Die Tiere sind naturnah gezeichnet, die Infos „ausreichend spärlich“. Schade, denn wir wollen mehr SEHEN. Das Buch ist ein guter erster Überblick, aber weckt definitiv Forscherlust und wirft neue Fragen auf.

Es bietet auch eine wunderbare Grundlage, sich darauf aufbauend Spiele einfallen zu lassen bzw. mit Kindern zu diskutieren und zu philosophieren. Es ist nicht nur spannend, wie Tiere sehen, sondern auch was Tiere sehen, was für sie im Gegensatz zu uns wichtig sein könnte > Perspektivenwechsel.

Was sieht eigentlich der Regenwurm? Book Cover Was sieht eigentlich der Regenwurm?
Guillaume Duprat
Sachbuch ab 8 Jahren
Knesebeck
2014, 1. Auflage
24.5 x 33.0 cm, gebunden
36
https://www.knesebeck-verlag.de/was_sieht_eigentlich_der_regenwurm/t-1/308
Guillaume Duprat