Von Eisblau bis Mitternachtsblau

*vorgestellt von Stefanie Sandhäugl*

Wie viele Blautöne liegen eigentlich zwischen Eisblau und Mitternachtsblau? Mindestens 30, wie uns schon das Vorsatzpapier zeigt. Blau ist nicht gleich blau. Blau kann hell, zart und blass sein oder kräftig und leuchtend. Und manchmal ist es so dunkel, dass es fast schwarz ist wie die Nacht.

„Der Tag neigt sich dem Ende zu. Bald senkt sich die Nacht herab. Dazwischen liegt sie verborgen: die Blaue Stunde.“ Mit diesem Satz erklärt die Autorin und Illustratorin Isabelle Simler gleich auf der ersten Seite den Titel ihres aussergewöhnliches Sachbuches, das die beeindruckende Formen- und Farbenvielfalt der Natur dokumentiert.

Und dann entfaltet die Blaue Stunde ihren Zauber… man begegnet einem Schwarm blau schillernder Sardinen, den graubläulich schimmernden Diademmeerkatzen, der Blauflügel-Prachtlibelle und anderen mehr oder weniger bekannten Tieren und Pflanzen aus aller Welt. Wesen wie die Blaue Ozeanschnecke wirken in ihrer Pracht der Realität so entrückt, dass man verleitet ist, nachzusehen, ob es sie wirklich gibt oder ob sie der Fantasie der Illustratorin entsprungen sind. Und ja, es gibt sie wirklich alle – sogar die Blaugeringelte Krake! Kaum zu glauben, aber eigentlich klar – denn wir haben es hier mit einem Sachbuch zu tun!

Mit wenigen Ausnahmen ist jedem Tier eine ganze Doppelseite gewidmet. Der Text beschränkt sich auf jeweils einen einzigen knappen, aber doch poetischen Satz pro Seite. Die Illustrationen sind beinahe ausschließlich in Blautönen gehalten. Immer wieder spielt Isabel Simler aber auch mit Kalt-Warm-Kontrasten und lässt beispielsweise orange Lianen und feuerrote Blüten und Blätter aus der sonst durch und durch blauen Dschungelkulisse der Blauen Viper hervor blitzen. Eine weitere Besonderheit der Illustration, die einem vielleicht erst nach mehrmaligem Lesen und Betrachten des Buches auffällt ist, dass die Blautöne zum Ende hin immer dunkler und dunkler werden. Auf der letzten Seite scheint der Mond vor einem nachtblauen Himmel und die Tiere, mittlerweile nur mehr schwarze Silhouetten, versammeln sich noch einmal zum Abschied.

Blau ist nicht gleich blau, Vogel ist nicht gleich Vogel. Dieses Buch schafft es so schön, den Blick zu schärfen. Man wird eingeladen zu differenzieren und genau hinzusehen. Es wird vom Verlag ab sechs Jahren empfohlen und es ist wirklich ein schönes Erlebnis, es sich mit dieser Altersgruppe (aber auch jüngeren Kindern!) anzusehen und gemeinsam zu überlegen: Ein knallblauer Frosch? Gibt es den wirklich? Und wenn ja, wo? Und auch diese Antwort gibt uns das Buch noch ganz hinten auf einer Weltkarte.