Der Wassermann hat Zeit

*vorgestellt von Michaela Pettermann-Kisling*

„Der Wassermann sagt: „Zeit kann man nicht verschwenden.“

Mit dieser Feststellung des Protagonisten werden wir in die Geschichte geführt und zugleich in ein Bild getaucht, in welchem der Wassermann ein Fußbad in einem Goldfischglas nimmt. Eine Schnecke ruht auf seinem Knie, Libellen und Käfer leisten ihm Gesellschaft.

Die reduzierte Farbgebung beruhigt das Auge, den Kopf, das Gemüt ganz unmittelbar und ermöglicht es, sich in den Bildern zu versenken und eigene Bilder entstehen zu lassen. Sie weckt den Eindruck einer Traumwelt, die in sanfter Art und Weise auf so manche Defizite unserer Zeit hinweist.

         Zeit haben

         sich Zeit nehmen

         Bäume wachsen lassen

         Singen

         nur am Sonntag Wichtiges, wie zum Beispiel Enten und Zehen, zählen

         für Fischnachwuchs sorgen

         sich Zeit für Kinder nehmen und ihnen eine Plattform und Schutz bieten

         Streitschlichter sein

         Kontakt zu anderen Wassermännern pflegen

         Zeit haben und sich Zeit nehmen

Auf wunderbare Art wird in dieser Geschichte meiner Meinung nach ein Empfinden und ein neues Verständnis von Reichtum geweckt.

Der konzentrierte Blick auf die kleinen kostbaren Dinge, die in meiner Wahrnehmung gewichtige Themen beinhalten, hat mich sehr beglückt, aber auch nachdenklich gestimmt.

Die kurzen, klaren Sätze, in denen kein Wort zu viel oder zu wenig erscheint, haben mir viel Freiraum für eigene Gedanken gegeben und auf mich wohltuend im reiz- und wortüberfluteten Alltag gewirkt.

Die Figur des Wassermanns als wohlgesonnener Helfer, der sich der ihm begegnenden Themen unaufdringlich annimmt, lassen die Natur beseelt und zeitlos erscheinen. Die „Währungseinheit Zeit“ scheint keine Rolle mehr zu spielen. Dieses Thema wird ja immer wieder in Büchern aufgegriffen. Und wir alle wissen, wie wichtig es ist.

In Tagen wie diesen, wo Kinder bereits erzählen, dass sie sich gestresst fühlen, schlecht schlafen oder kaum Zeit haben ihr Essen zu genießen, erscheint mir dieses Buch als wahres „Entschleunigungs-Heilkraut“.

Endgültig eigenommen für das Buch hat mich die Doppelseite auf welcher der Wassermann den Fischen ein melancholisches Lied vorsingt. Es wurde von Jim Croce 1972 veröffentlicht und heißt „Time in a bottle“. Ich persönlich kannte es nicht, finde den Bezug zur Geschichte jedoch berührend und es lohnt sich in den Song hinein zu hören.

Und selbst die Krustentiere und Schnecken dürfen zuhören…

Also warum auch nicht wir?

 

Songtext – Time in a bottle

If I could save time in a bottle
The first thing that I’d like to do
Is to save every day ‚til eternity passes away
Just to spend them with you

If I could make days last forever
If words could make wishes come true
I’d save every day like a treasure, and then
Again, I would spend them with you

But there never seems to be enough time
To do the things you want to do once you find them
I’ve looked around enough to know
That you’re the one I want to go through time with

If I had a box just for wishes
And dreams that had never come true
The box would be empty
Except for the memory of how they were answered by you

But there never seems to be enough time
To do the things you want to do once you find them
I’ve looked around enough to know
That you’re the one I want to go through time with

Eine entschleunigte und – wie ich finde – poetisch-zeitlose Geschichte, die einlädt zum Träumen, Reflektieren, Philosophieren, zum Nach- und Weiterdenken und zum Sehnen.

 

Der Wassermann hat Zeit Book Cover Der Wassermann hat Zeit
Leonie Schlager
Bilderbuch
Tyrolia
24 cm x 17 cm
26 Seiten
Leonie Schlager