Der allerbeste Platz

*vorgestellt von Barbara Lerch*

Schauplatz unserer Geschichte ist eine kleine Stadt, deren Erkundung bereits mit dem Stadtplan auf dem Vorsatzpapier beginnt. Habt ihr Claires Buchladen entdeckt?

Genau dort kauft Papa Elch – elegant gekleidet mit Hut – seinem Sohn ein rotes Buch.
Und schon befinden wir uns  bereits mitten in der Geschichte, in der wir Papa Elch und sein Kind auf ihrer  Mission begleiten: der Suche nach dem allerbesten Platz zum Vorlesen.
In der Empfangslounge im Hotel, durch die Straßen und Gassen, auf dem Spielplatz, unterwegs mit Fahrrad und U-Bahn, … die beiden probieren voller Tatendrang und ständig in Bewegung zahlreiche Plätze aus.

Zur Gestaltung: 

Beim Umblättern des Buches lernen wir Betrachtenden immer mehr Winkel der kleinen Stadt kennen.
Auf nahezu fast jeder Doppelseite werden zwei Schauplätze bzw. Situationen präsentiert, die gegensätzlich zu einander sind.

Hier zwei Beispiele:
Das Sofa ist zu groß, der Hydrant auf der Straße zu klein zum Sitzen für beide.
In der staubigen, dunklen Gasse ist der Sessel (mit Spinnweben) zu alt, der ausgestellte Designerstuhl im Schaufenster ist zu neu.
An einigen Stellen wird dieses Stilmittel im Buch aufgebrochen:

Hier ist das zugehörige Gegensatzbild bereits auf der vorherigen Einzelseite zu finden

Nun weiter in der Geschichte:
Trotz zahlreicher Testversuche  entspricht  kein Platz den Vorstellungen der beiden Elche.
Langsam entwickelt sich ihre Suche zu einer kleinen Odyssee.
Wir können nur noch zwei Mal umblättern im Buch (dann ist das Ende), Papa Elch ist kurz davor zu kapitulieren:

Werden wir in dieser Vater-Sohn-Geschichte auf ein Happy End verzichten müssen?
Oder sind Papa Elch und Sohnemann kurz vor dem sehnsüchtig erwarteten Ziel?
Und wo ist nun der allerbeste Platz zum Vorlesen?

Illustration:
Während die Elche mit dicker dunkler Kontur aufwarten, sind andere Bildelemente „konturlos“ abgebildet. Die verwendete Farbpalette ist nach meinem Eindruck  gedeckt: beim Betrachten finden sich Grün-, Blau- und Grautöne und dunkelgelbe, beige und braune Akzente.
Papa und Sohn nehmen meines Erachtens im Bild die zentrale Rolle ein.
Das „rote“ Buch hebt sich ebenso deutlich von der – durch wenige Striche und monochrome Farbflächen angedeuteten Umgebung – ab.
Die im Bilderbuch zahlreich erscheinenden tierischen Nebendarsteller sind detailliert als grau-blau/weiß-Zeichnungen ohne Füllung gestaltet.
Sehr ansprechend finde ich die kleinen realistischen Bilder, die collagenartig in die Illustrationen eingefügt wurden.
Als erwähnenswert empfinde ich auch die für meinen Begriff großzügige Verwendung des Weißraumes.

Text:
Der Einsatz des Text ist sparsam und meiner Meinung nach gibt es kein Wort zu viel und keines zu wenig. Im Großen und Ganzen kommen zahlreiche Seiten mit zwei Wörtern aus, die den Platz näher  beschreiben wie beispielsweise zu schmal, zu hoch, zu niedrig, …

Fazit:
Als sehr gelungen empfinde ich die von Gus Gordon gestaltete Mimik der beiden Hauptfiguren. Besonders gefiel mir die Doppelseite, wo Papa Elch beim Hinsetzen auf die Steinmauer einer Brücke ins Wasser fiel.
Übrigens finde nicht nur ich dieses Bilderbuch gelungen und des Vorlesens wert.
Im Herbst 2020 haben Klaus Nowak und Franz Lettner vom Institut für Jugendliteratur in Wien in ihrer Veranstaltung „Ein Streifzug durch die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur“ für dieses Bilderbuch eine Empfehlung ausgesprochen.

 

Der allerbeste Platz
Minh Le
Bilderbuch
Knesebeck Verlag
2020
32
Gus Gordon