Das funktioniert?

*vorgestellt von Veronika Albrecht*

 

Ende des 18. Jahrhunderts brach in Europa ein Fieber aus: die ersten Ballonfahrten wurden absolviert, der große Traum vom Fliegen gelangte zu einer besonders eleganten Umsetzung. Ich stelle mir vor, für Ballonfahrer ist seither die größte Herausforderung gleichzeitig der besondere Reiz ihres Sports: Ganz und gar nicht einfach ist nämlich die punktgenaue Navigation, im Korb reist man immer mit dem Wind, und der ist eine launische Braut.

Eine ausgefuchste, naheliegende Lösung für die Problematik hätte damals Stanislaus Trembecki parat gehabt. Er war ein Dichter und der Kammerherr des polnischen Königs Stanislaw II. August Poniatowski. Die Idee: der Ballon sollte mit einer Eisenplatte bestückt und via langer, beweglicher Stange mit einem Magneten an ihrem Ende gelenkt werden. Der König fand’s wiff, die zu Rate gezogenen Gelehrten empfahlen Trembecki aber, mit seiner Phantasie doch lieber bei der Dichtkunst zu bleiben.

Ein bisschen schade ist es hingegen um eine Erfindung aus dem Jahr 1925, wie ich finde:

Denn der „Isolator“ des amerikanischen Science-Fiction-Autors und Konstrukteurs Hugo Gernsback wurde wahrscheinlich auch nie gebaut. Diese „Konzentrationshaube“ sollte aus dickem, schalldichten Material bestehen, ein mit einer Sauerstoffflasche verbundenes Atemloch und einen schmalen Sehschlitz haben, durch den jeweils nur eine einzige Textzeile zu erspähen war. Ob Lärm, Sonnenlicht oder Düfte – alles sollte der Isolator abschirmen um endlich richtig konzentrierte Arbeit zu ermöglichen.

 

 

 

 

 

Ihrem Sachbilderbuch „Das funktioniert? – Verblüffende Erfindungen“ stellen die Warschauer Kunsthistorikerin und Lektorin Matgorzata Mycielska und die Grafiker Alexandra und Daniel Mizielińscy gleich die wichtigste Frage voran:

 

Wozu etwas erfinden?

 

Was folgt sind 28 phantastische Beispiele aus der Welt der Patente und Spinnereien, des technischen Fortschritts und des leidenschaftlichen Ausreizens des Machbaren.

Erfindungen aus der Antike werden ebenso vor den Vorhang geholt wie Gegenwärtiges zum Staunen. Ich mag die „gefrorene Musik“ einer Stockholmer Designergruppe besonders gerne. 2012 entwickelte sie im Auftrag der berüchtigten Werbeagentur TBWA ein Eisplattenset für das Lied „Blue Ice“ der Band „Short Out Louds“. Das Set enthielt eine Silikonform, eine Einlage mit dem Negativabdruck der Schallplattenrillen und eine Flasche mit destilliertem Wasser.

 

Das Wasser wird in die Silikonform gegossen – bei destilliertem Wasser bilden sich keine Luftbläschen, welche die Akustik stören würden.

Dann muss es sich im Gefrierfach verfestigen. Nach etwa vier Stunden kann die Eisplatte der Form entnommen und ein Mal auf einem herkömmlichen Plattenspieler abgespielt werden.

Natürlich beginnt sie sofort zu schmelzen, das macht aber gar nichts: man kann sich schließlich beliebig oft eine Kopie des Songs herstellen.

 

 

Im Buch treffen wir auf manch einen Prominenten, Nikola Tesla zum Beispiel, dem seit Beginn des vorigen Jahrhunderts ein Nimbus zwischen Genie und Wahnsinn zugeschrieben wird.

 

Aber auch recht vertraute Maschinen, deren Ursprungsidee oft vor erstaunlich langer Zeit entstand. Etwa den „Schachtürken“ aus dem Jahr 1769, der von seinem Konstrukteur Wolfgang von Kempelen sogar Ihrer Hoheit Maria Theresia persönlich vorgestellt wurde.

 

 

 

 

 

 

 

Bis der IBM-Schachcomputer Deep Blue in den 1990er Jahren den Weltmeister Garri Kasparow besiegte brauchte es freilich noch ein paar Entwicklungsschritte.

 

Alexandra und Daniel Mizielińscy verstehen sich einmal mehr meisterhaft charmant auf die Sachbilderbuch-Illustration. Den besonderen Reiz dieses Buchs machen zum einen die sehr verständlichen schematischen Darstellungen der jeweiligen Erfindung aus, wie beispielsweise die einer Wasseruhr aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.:

 

 

Zum anderen folgt jeder Beschreibung der Daten und Fakten eine Doppelseite mit dem Bild einer Szenerie um die jeweilige Innovation. Und so erhält auch der Schokolinsensortierer die angemessene Lebendigkeit:

 

Mit „Das funktioniert?“ ist ein spannender Streifzug durch eine Welt der mehr oder weniger nützlichen  Phantasmen in der menschlichen Entwicklungsgeschichte gelungen. Natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Wertung oder genauerer Systematik, das Buch lädt vielmehr zu einem bunten  Reigen sympathischer Anekdoten zum Staunen und Schmunzeln, gemeinsam schmökern und weiterspinnen ein.

 

Thomas Weiler hat das Buch aus dem Polnischen übersetzt.

 

Das funktioniert? – Verblüffende Erfindungen Book Cover Das funktioniert? – Verblüffende Erfindungen
Matgorzata Mycielska
Sachbuch
Moritz Verlag, Frankfurt am Main
2015
20.8 x 25.5 cm
128
Aleksandra Mizielinska und Daniel Mizielinski

 

Innovation rockt, und zwar seit Anbeginn der Zeit, auch wenn manches wieder verworfen wird. Ein tolles Sachbilderbuch über Erfindungen und Träumer, technische Wunder und Spinnereien.