Das Nilpferd

*Vorgestellt von Susanne Braunsteiner*

1897 kann man zum ersten Mal in der Monatszeitschrift „Die Frau“  Maria von Ebner-Eschenbachs Fabel über Eitelkeit, Zufall und schönem Schein lesen. Sie heißt: “ Das Nilpferd.  Die Sprache ist schön und entspricht dem heutigen Zeitgeist. Nun gibt es diese Geschichte als Bilderbuch mit wunderschönen Illustrationen.

Eine Raupe legt sich einmal zur Verpuppung in die Nackenfalte eines Nilpferdes. Abwechslung ist gut, denkt  sie sich. Und siehe da, anstatt eines ganzen Schmetterlings,  kommen nur zwei herrliche Schmetterlingsflügel heraus , die im Sonnenschein wie Kolibrigefieder glänzen.

Das Nilpferd kann es zunächst gar nicht glauben. Erst als ihm eine begehrenswerte Nilpferddame Komplimente über seine Flügel macht, ist es ganz begeistert und beginnt  heimlich mit Flugversuchen, die aber kläglich misslingen. Traurig kehrt das Nilpferd zur Herde zurück. Die Dickhäuter aber sind der Meinung, wer Flügel hat kann fliegen und wollen einen Flugversuch sehen. Das geflügelte Nilpferd will seine Misserfolge nicht eingestehen und erwidert mit immenser Wichtigkeit: „Resultate,  nicht Versuche gehören vor das Publikum!“ Es tut den Anderen gegenüber so, als wäre es geflogen: „Freilich, einen Ausflug nach Sansibar hinüber habe ich unternommen!“ Die Herde ist stolz auf den Adler unter den Nilpferden.

Dann trägt der Wind die Flügel plötzlich weg. Kurz erschrocken über die neue Lage, reagiert das Nilpferd souverän und behauptet die Flügel abgelegt zu haben um nicht anders zu sein als die Anderen. Diese Bescheidenheit bringt dem Nilpferd noch mehr Bewunderung ein. Die Nilpferde wollen einfach glauben, dass einer von ihnen fliegen kann. Und so kommt es, dass das Nilpferd heute noch als Phönix in der Geschichte und in der Dichtung der Nilpferde  weiterlebt.

Besonders gut gefällt mir in diesem Buch die Illustration. Michaela Weiss versteht es hervorragend mit federleichten Schraffuren in Tusche diese  Schwergewichte federleicht erscheinen zu lassen. Besonders schön zu den in grau gehaltenen Tieren passen die pastelligen Farben von Himmel, Wasser und Pflanzenwelt  in Aquarelltechnik. Die luftig-leichten  Schmetterlingsflügel in rot als zentrales Motiv halten den Blick des Betrachters gefangen. Sie passen wunderbar zu dem Grau des Nilpferdes. Es gefällt mir auch gut, dass das Papier des Bilderbuches nicht reinweiß ist sondern leicht gelb-stichig. Der Text der Geschichte ist auf jeder Doppelseite entweder rechts oder links zu sehen. Dieses stimmige, schöne Bilderbuch verleitet dazu, es immer wieder zu betrachten!

 

 

Das Nilpferd
Marie von Ebner-Eschenbach
Bilderbuch
Bibliothek der Provinz
2013
Querformat
Michaela Weiss